Arbeitende Rentner

19.01.2017

„Um sich etwas gön­nen zu kön­nen“

Immer mehr Menschen arbeiten noch im Rentenalter. Doch nicht nur aus Geldnot, wie Arbeitsmarktforscherin Jutta Schmitz weiß. Auch andere Motive spielten eine Rolle.

Frau Schmitz, immer mehr Menschen arbeiten selbst noch im Rentenalter. Warum tun sie sich das an?

JUTTA SCHMITZ: Bei etwa einem Drittel der arbeitenden Rentner geben existenzielle Gründe den Ausschlag. Ihnen reicht ihre Rente zum Leben nicht aus. Aber auch bei denjenigen, die finanziell besser gestellt sind, geht es oft darum, den Lebensstandard zu sichern. Die gesetzliche Rente ist für sie zwar ein solides Fundament. Aber um sich etwas gönnen zu können, etwa großzügigere Geschenke für den Enkel oder die regelmäßige Reise, dafür brauchen sie schon den Zuverdienst.

Wer als Rentner arbeitet, der hat das Geld also unbedingt nötig?

SCHMITZ: Für die Mehrheit ist der Zuverdienst, wie gesagt, ein Beitrag, um den Lebensstandard zu halten. Aber er ist nicht lebensnotwendig. Die sagen ganz klar, dass sie Spaß an der Arbeit haben wollen. Da muss die Arbeit zum Leben passen, nicht umgekehrt. Darum arbeiten die meisten in Teilzeit, mit flexiblen Arbeitszeiten und möglichst selbstständig. Und oft wollen die Älteren auch nicht mehr den Druck und die Verantwortung wie früher. Unter den Arbeitnehmern im Rentenalter gibt es darum überdurchschnittlich viele mit guter oder sehr guter Qualifikation, die eher einfache Tätigkeiten ausüben. Zum Beispiel ein Ingenieur, der nur noch Werksführungen macht.

Bei der Beschäftigung älterer Menschen gibt es zwischen Ostsee und Alpen große regionale Unterschiede. Woran liegt das?

SCHMITZ: Eine hohe Erwerbstätigenquote der so genannten älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer findet sich tendenziell beispielsweise eher in den süddeutschen Bundesländern als in Ostdeutschland. Denn ob ältere Menschen arbeiten, hängt ja nicht nur von ihrer Qualifikation, Gesundheit oder Einkommenssituation ab. Eine wichtige Voraussetzung ist auch, dass vor Ort entsprechende Arbeitsplätze angeboten werden.

Und wichtig ist auch, dass es keine große Lücke zur letzten Anstellung gibt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bereits deutlich vor dem Regenrentenalter mit 50 oder 55 Jahren aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden sind, haben auch im Rentenalter schlechtere Chancen auf einen Job. Diese Voraussetzungen sind in strukturstarken Regionen oft eher gegeben.

Sind Rentner denn noch fit genug für einen Job?

SCHMITZ: Das ist pauschal nur schwer zu beantworten. Einerseits wäre es sicher falsch zu glauben, dass jeder Rentnerin und jeder Rentner noch gesundheitlich in der Lage wäre, zu arbeiten. Andererseits zeigt uns die gerontologische Forschung, dass die Fitness älterer Menschen besser ist als früher. Und für diejenigen, die heute noch im Alter arbeiten, gilt in der Regel, dass sie eine überdurchschnittlich gute Gesundheit haben.

Aber auch da muss man mit dem Begriff der Fitness und Leistungsfähigkeit reflektiert umgehen. Ältere Menschen sind schon eingeschränkt, wenn es zum Beispiel um Schnelligkeit, Feinmotorik oder das Heben schwerer Lasten geht. Dafür bringen sie andere Stärken mit, zum Beispiel ein großes Erfahrungswissen und damit eine gewisse Abgeklärtheit und Routine. Auf diese Stärken und Schwächen muss man achten.

Gehen Sie davon aus, dass in Zukunft noch mehr Menschen auch im Rentenalter arbeiten wollen – oder müssen?

SCHMITZ: Ich denke schon. Das sinkende Niveau der gesetzlichen Rente und Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt werden wahrscheinlich dazu führen, dass mehr Menschen im Alter etwas dazuverdienen müssen. Das wird für diejenigen zu einem großen Problem, die dann nicht mehr arbeiten können. Weil sie dazu gesundheitlich nicht mehr in der Lage sind. Oder weil sie bereits vor der Rente arbeitslos gewesen sind.

Wie lässt sich dieses Problem am besten angehen?

SCHMITZ: Zum einen geht es darum, dass wir Arbeitsbedingungen schaffen, die gesundes Arbeiten ermöglichen. Gerade bei Berufen, die körperlich sehr anstrengend sind, kann man von den Menschen nicht erwarten, dass sie das fünfzig Jahre lang machen, sondern muss ihnen auch neue Möglichkeiten und schonendere Jobs bieten.

Und dann müssen wir daran arbeiten, dass die Menschen auch bis zur Rente arbeiten können. Heute liegen oft Jahre zwischen dem Ende des Arbeitslebens und dem Beginn der Rente. Langzeitarbeitslosigkeit, Altersteilzeit, Vorruhestand – das alles schlägt sich auch auf die Rentenhöhe nieder und vergrößert die Versorgungslücken. Wenn wir das schaffen, wäre die Altersvorsorge besser. 

Außerdem ist es an der Zeit, die derzeitige Leistungs- und Vorsorgesystematik des deutschen Alterssicherungssystems kritisch zu hinterfragen. Denn den Rückbau der Leistungshöhe in der gesetzlichen Rentenversicherung müssen die Beschäftigten durch eigenständige Vorsorge abfangen, die bislang aber völlig freiwillig ist. Wer sich nicht gut auskennt, sich nicht mit der Rente beschäftigt oder zu wenig Einkommen erzielt, um zu sparen, der läuft große Gefahr, im Alter finanziell in Schwierigkeiten zu kommen. Das damit Probleme vorprogrammiert sind, liegt auf der Hand.