Selbstoptimierung

17.02.2021

7 Tipps eines Bio­hackers für ein län­ge­res Leben

Biohacker streben nach einem längeren Leben – mit teils skurrilen Methoden. Ein Vertreter der Szene verrät, wie jeder etwas mehr aus der Biologie herausholen kann.

© LarsZahnerPhotography / Getty Images/iStockphoto

Biohacker schwören unter anderem auf kalte Duschen. Das soll den Stoffwechsel anregen.

Für Normalität und Natürlichkeit scheint in der Gesellschaft kaum noch Platz. Nicht erst seit Instagram betreiben immer mehr Menschen großen Aufwand, um sich zu verbessern und zu optimieren: Schlanker wollen sie sein, leistungsstärker oder intelligenter – mithin jugendlicher und erfolgreicher.

Die Anhänger des Biohacking gehen sogar noch ein Schritt weiter. Sie wollen nicht nur jünger aussehen und leistungsstärker sein, sondern durch Selbstoptimierung auch ihr Leben deutlich verlängern. „Mir geht es darum, meinen Körper besser zu verstehen und Einfluss auf meine Biologie zu nehmen“, sagt der ehemalige Leistungssportler Max Gotzler, der den Trend hierzulande mit populär gemacht hat.

„Natürlicher leben in einer unnatürlichen Umwelt“ 

Für ihren Traum vom langen Leben greifen manche Biohacker sogar auf Technik zurück und lassen sich beispielsweise Chips implantieren. Nach Ansicht von Gotzler braucht es aber gar nicht solche Extreme, um gesund zu leben. „Im Grunde versuchen Biohacker, in einer unnatürlichen Umwelt wieder natürlicher zu leben. Die Werkzeuge dafür hat uns die Evolution mitgegeben: Kälte und Licht, Schlaf, Bewegung und Ernährung.“ Für Einsteiger hat der Buchautor sieben Tipps für kleine Veränderungen parat, mit denen sie ihren Körper „hacken“ können.

1. Kältebäder

Biohacker verpassen ihrem Körper gern einen Kälteschock. Zum Beispiel morgens im Bad, wenn sie bis zu fünf Minuten lang kalt duschen. Oder sie besuchen spezielle Kältekammern, die auf bis zu minus 180 Grad Celsius heruntergekühlt werden. „Für mich ist Eisbaden eine Wohltat“, sagt Gotzler. Denn externe Kältereize mindern Entzündungen, regen den Stoffwechsel an und sind ein Booster für das Immunsystem. Zudem kommt es zur sogenannten „kalten Thermogenese“, die heute eigentlich nur noch bei Tieren und Pflanzen auftritt: Durch die Kälte oxidiert das Fettgewebe und einem wird auf natürliche Weise warm.

2. Butterkaffee

Kaffee vermischt mit etwas Butter und MCT-Öl: Was gewöhnungsbedürftig klingt, ist in der Biohacking-Szene das Frühstücksgetränk schlechthin. MCT-Öl wird aus Kokosnüssen gewonnen und besteht aus mittelkettigen Fettsäuren. Ihr Vorteil: Statt in Glukose, die normalerweise als Energielieferant aus dem morgendlichen Marmeladenbrötchen (Zucker und Kohlenhydraten) gebildet wird, wandelt der Körper sie in sogenannte Ketonkörper um. Diese liefern auch Energie für den Tag – aber ohne dabei Einfluss auf Blutfettwerte, den Blutzucker- und Cholesterinspiegel zu nehmen.

3. Fasten

Nach dem Butterkaffee bleibt bei Max Gotzler die Küche erst einmal kalt. Mehrere Tage pro Woche isst er 16 Stunden lang gar nichts und beschränkt die Nahrungsaufnahme auf die restlichen acht Stunden. Evolutionär betrachtet, ist unser Körper nämlich nicht fürs andauernde Futtern gemacht, sondern braucht Auszeiten von der Nahrungsverwertung. Wie Studien zeigen, nutzt der Organismus das Fasten zum Großreinemachen: Giftstoffe werden abtransportiert und Zellen erneuert, Gefäße werden „entkalkt“ und Hormone wie Insulin wieder ins Gleichgewicht gebracht.

4. Hochintensives Training  

In Sachen Bewegung setzen Biohacker nicht unbedingt auf den 10-Kilometer-Lauf. Viele betreiben hochintensives Intervall-Training (HIIT), das aus mehreren kurzen Einheiten besteht, bei denen man sich maximal verausgabt (z. B. 45 Sekunden Sprinten, gefolgt von Liegestützen) und anschließend aktiv erholt (60 Sekunden zügiges Gehen). „Das ist anstrengend, aber auch sehr effektiv“, so Gotzler. „Der Stoffwechsel wird extrem hochgefahren und Kalorien werden auch lange nach dem Training noch verbrannt.“ Dass dies sogar im Alter eine positive Wirkung hat, zeigt eine Studie aus Norwegen. Laut ihr haben Senioren, die HIIT-Training ausüben, eine geringere Sterblichkeit als solche, die nur moderat ins Schwitzen kommen.

5. Schlafoptimierung

Schlaf ist ungemein wichtig für die Regeneration. Daher setzt Max Gotzler, sobald es draußen dunkel wird, eine Blueblocker-Brille auf. Diese, ausgestattet mit orangefarbenen Gläsern, filtert den hohen Blauanteil aus dem künstlichen Licht, das uns vor allem abends umflutet und den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus ordentlich durcheinanderbringt. Trifft nämlich blaues Licht von Laptops, Smartphones, TV-Geräten oder LED-Lampen auf die Netzhaut, meint der Körper, es sei noch immer helllichter Tag – und hemmt die Produktion des Schlafhormons Melatonin. Die Folge: Wir brauchen ewig, um einzuschlafen, und können schlechter durchzuschlafen.

6. Selbstvermessung

Biohacker wollen genau wissen, wie ihr Körper tickt. Dafür nutzen sie Fitnessarmbänder, smarte Uhren und diverse Apps, um alles zu tracken, was geht: Puls, Herzfrequenz und Schlafqualität, die Zahl der zurückgelegten Schritte und der verbrannten Kalorien. Für Gotzler ist Selbstvermessung die Zukunft der Gesundheitsvorsorge. „Vielleicht wird man irgendwann aufgezeichnete Werte wie Blutzuckerspiegel oder Blutdruck digital mit seinem Arzt teilen können oder beim Besuch in der Praxis zuerst seine Smartwatch scannen lassen. So ließen sich Krankheitsrisiken erkennen, weit bevor Symptome auftreten.“

7. Lebensfreude  

Übertreiben sollte man es mit der Selbstoptimierung nicht, sagt Gotzler. „Natürlich versuchen Biohacker, das Altern zu verlangsamen und gesünder zu leben. Doch in Druck und Stress darf das nicht ausarten.“ Sein vielleicht wichtigster Tipp lautet daher: die Freude am Leben nicht vergessen. Ein Vorbild sind für Gotzler Blue Zones wie Sardinien. Regionen der Welt also, in denen besonders viele Menschen 100 Jahre werden. „Viel natürliches Licht tanken, sich saisonal ernähren, nicht in den Ruhestand gehen und in einer starken Gemeinschaft leben: Dort macht man einfach vieles richtig – und vieles davon predigt auch die Biohacking-Bewegung.“