Supercentenarians

10.01.2017

Der Klub der Supe­ral­ten

Trotz steigender Lebenserwartung gibt es kaum mehr Menschen, die älter werden als 110. Beleg für eine natürliche Altersgrenze?

© Freder / Getty Images / GDV Bearbeitung

Statistisch erreicht nur einer von fünf Millionen Menschen ein Alter von 110 Jahren – und steigt damit in den Klub der Supercentenarians auf.

1899 lebte Guiseppe Verdi noch. Aspirin wurde als Markenzeichen eingetragen, Erich Kästner, Humphrey Bogart und Ernest Hemingway wurden geboren – und Emma Martina Luigia Morano. Die Italienerin ist die wohl letzte noch lebende Person, die das Licht der Welt im 19. Jahrhundert erblickte: und zwar am 29. November 1899.

Nur einer von fünf Millionen wird 110 Jahre alt

Seit sieben Jahren gehört Morano damit zu einem der exklusivsten Clubs der Welt: den sogenannten Supercentenarians, also Menschen, die ihren 110. Geburtstag gefeiert haben. Schätzungen der Gerontology Research Group zufolge gibt es zurzeit weltweit 350 bis 400 Personen in diesem Alter. Trotz der immer weiter steigenden Lebenserwartung ist ein Lebensalter von 110 Jahren und mehr also nach wie vor extrem selten. Nur einer von fünf Millionen Menschen in der industrialisierten Welt wird Mitglied dieses exklusiven Kreises. In geringer entwickelten Ländern sind es noch viel weniger.

Thomas Perls hat gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern erforscht, welche Menschen ein Leben jenseits der 110 erreichen. „Wir haben in unseren Studien gesehen, dass Supercentanariens bis kurz vor dem Tod mit sehr wenigen altersbedingten Krankheiten zu kämpfen hatten“, sagt der Gerontologe an der Boston University. Herzkrankheiten, Krebs, Schlaganfälle oder Demenz seien bei vielen erst wenige Monate vor dem Lebensende aufgetreten. Und so führen sie auch sehr lange ein relativ selbstständiges Leben. „Eine überraschend hohe Zahl dieser Menschen konnte noch bis ins hohe Alter unabhängig ohne fremde Hilfe leben“, erzählt Perls.

Superalte haben besondere Widerstandskräfte

Ein biblisches Alter geht somit nicht einher mit einer langen Phase des Leidens und des Siechtums. Die Superalten zeichnet eine bis zuletzt gute körperliche Verfassung aus. „Die Phase von Krankheit und Degeneration vor dem Tod ist bei diesen Menschen unglaublich kurz“, sagt Perls. Darin seien sich die meisten Menschen jenseits der 110 sehr ähnlich. Doch was ist das Erfolgsgeheimnis der Methusalems? Warum bleiben sie solange von Krebs oder Demenz verschont, während andere schon mit 70 darunter leiden?

Die Antwort liegt in den Genen. Sie unterdrücken bei den Superalten überdurchschnittlich lange typische Alterskrankheiten. Eigentlich spielten die Erbanlagen für die Lebenserwartung nur eine untergeordnete Rolle, erklärt Perls. Drei Viertel der Lebenserwartung werde vom Lebensstil bestimmt. Doch um ein Alter jenseits der 110 erreichen zu können, müssen die Gene stimmen: Ihren Einfluss bemisst Perls auf 75 Prozent. Nun suchen Forscher nach ebenjenen Faktoren für den Langlebigkeitsschutz. „Das sind aber wohl über 130 Gene, die eine Rolle spielen“, erklärt Perls. Die richtige Kombination sei dabei seltener als ein Sechser im Lotto.

Altersrekord liegt bei 122 Jahren

Wenn nun aber eher die Gene entscheiden, gibt es dann eine natürliche Altersgrenze? Ist trotz medizinischer Fortschritte und besserer Lebensbedingungen die maximal mögliche Lebenszeit schon erreicht? Der Rekord für den ältesten Menschen der Welt steht jedenfalls bereits seit einiger Zeit bei 122 Jahren. Niemand ist älter geworden als die Französin Jeanne Calment, die 1997 verstarb. Seitdem ist keine Person nicht mal annähernd diesem Rekord nahe gekommen.

Einige Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass trotz weiter steigender Lebenserwartung das durchschnittliche Maximalalter bei 115 Jahren bleiben wird und nicht weiter anwächst. Die Forscher um Jan Vijg vom Albert Einstein College of Medicine folgern dies aus statistischen Berechnungen: Die maximale Lebensspanne habe sich demnach seit den 1990er-Jahren nicht erhöht. „Weitere Fortschritte bei der Bekämpfung von Infektions- und chronischen Krankheiten können die durchschnittliche Lebenserwartung weiter anheben, aber nicht die maximale Lebenserwartung“, schreiben die Wissenschaftler. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch jemals älter als 125 Jahren werde, sei extrem gering.

Forscher uneins über maximale Lebenszeit

Thomas Perls geht zumindest davon aus, dass Calments Rekord irgendwann fallen wird. Dass aber ein Großteil der Bevölkerung in Zukunft so alt oder noch viel älter werden wird, daran glaubt auch er nicht. „Die Vorstellung, dass irgendjemand eine Pille erfinden wird, die uns alle viel, viel älter werden lässt, ist lächerlich“, sagt Perls.

James Vaupel, ehemaliger Leiter des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, mag hingegen noch kein Ende vorhersagen. „Ein Limit ist derzeit nicht bekannt. Vielleicht werden wir einmal 200 Jahre alt“, sagt Vaupel. Die Theorie der maximalen Lebensspanne für den Menschen ist eben bislang eben genau das: eine Theorie.