Lebenserwartung der Nationalmannschaft

11.06.2018

Was Jogis Truppe frü­he­ren WM-Hel­den vor­aus hat

Ob die deutsche Elf in Russland so erfolgreich sein wird wie 2014, 1974 oder 1954? In einem Punkt übertrumpft sie die früheren Sieger ganz sicher.

© Stefan Matzke / sampics / picture alliance; Sven Simon / picture-alliance; GDV-Montage

Was der Neuer dem Breitner voraus hat: Statistisch lebt er fast ein Jahrzehnt länger. Dafür kennt Paul Breitner noch die Art von Fußball, in der Abwehrspieler Liberos hießen.

Der Fußball hat sich seit den aktiven Zeiten von Paul Breitner – unter anderem Weltmeister von 1974 – stark verändert. Schneller ist das Spiel geworden, körperlicher und taktisch variabler. Libero und Vorstopper sind heutzutage Begriffe, die allenfalls noch in der Kreisliga Bayerwald benutzt werden.

Auch das Leben der Profis ist heute ein anderes. Ihre Gehälter haben ein paar Nullen mehr. Ihre Frauen sind öfter Models statt Friseusen. Was den Spielern im Vergleich zu  früher an Haarpracht fehlt, gleichen sie mit Tattoos wieder aus. Und auch wenn die Karrieren heutzutage nicht unbedingt länger dauern, so können die Spieler immerhin mehr Turniere vor dem Fernseher mitverfolgen. Denn sie leben deutlich länger als die Fußballer Mitte der 1950er.

Aktueller Kader wird gut 86 Jahre alt

Ein Spiel dauert 90 Minuten – heute wie 1954. Aber das Leben der Spieler dauert inzwischen deutlich länger.

So hat der aktuelle WM-Kader – mit einem Durchschnittsalter von 27,1 Jahren der älteste in der Ära von Bundestrainer Jogi Löw – eine Lebenserwartung von rund 86,7 Jahren. Die Titelträger von 1954 waren zu Turnierbeginn ein Jahr älter, ihre Lebenserwartung betrug laut Generationensterbetafel des Statistischen Bundesamtes nur 74,5 Jahre. Die aktuelle Nationalmannschaft hat rechnerisch also gut zwölf Jahre länger zu leben als die Helden von Bern.

Der Vergleich zeigt, wie stark die Lebenserwartung in nur gut sechs Jahrzehnten gestiegen ist. Die rasante Entwicklung lässt sich auch gut anhand der Siegerteams von 1974 und 1990 nachzeichnen. Die Weltmeister von 1974 um Anführer Franz Beckenbauer hatten zu Turnierbeginn eine Lebenserwartung von 78,8 Jahren. 1990 waren es für das Team um Jürgen Klinsmann und Lothar Matthäus durchschnittlich 82 Jahre – und damit immer noch gut vier Jahre weniger als für den aktuellen WM-Kader.

Frühere Nationalspieler starben eher als üblich

Doch der rechnerische Durchschnitt hat seine Tücken, das gilt gerade für Fußball-Nationalspieler. Rein statistisch lag beispielsweise die Lebenserwartung der ersten deutschen Nationalmannschaft im Jahr 1908 bei schätzungsweise 65 Jahren – auch unter Berücksichtigung der Kriegsgefahren. Tatsächlich wurden die Spieler – soweit ihre Todesdaten bekannt sind – im Durchschnitt nur 60 Jahre alt.

Kein ungewöhnliches Phänomen: Auch für die späteren Auswahlkicker ertönte der Schlusspfiff im Leben deutlich früher als üblich, wie Oliver Kuß von der Martin-Luther-Universität in einer Studie herausfand. Er verglich für den Zeitraum von 1908 bis 2006 die Lebenserwartung früherer Nationalspieler mit der der Gesamtbevölkerung. Ergebnis: Die Kicker – Achtung: Wortspiel – bissen knapp zwei Jahre früher ins Gras.

Großes Mitleid mit dem aktuellen Kader muss man allerdings nicht haben: Denn wie Kuß‘ Studie auch zeigt, verschwinden die Unterschiede zum Ende des Beobachtungszeitraums. Die Lebenserwartung aktueller Nationalspieler liegt also auf dem Niveau der Gesamtbevölkerung. Schön, wenn auch ihr Spiel das Niveau der Helden von 1954 oder 2014 erreichen würde. Und Deutschland in Russland zum fünften Mal Weltmeister würde.